Fotos  PBP 2003 - Medallien 

Resultate 2003 (Google-Tabelle)

 

(power nap at PBP 2003)

Kurzbericht:

Vom 18.8. – 22.8.2003 fand das 15. Radrennen Paris-Brest-Paris statt, organisiert vom Audax-Club-Parisien für über 4000 Randonneure („verwegene Langstreckenfahrer“) aus der ganzen Welt. Das Besondere an diesem Rennen: rund 1200 km nonstop per pedes von Paris (einem Vorort) durch die Bretagne nach Brest und sogleich wieder zurück. Durch eine schöne Landschaft auf überwiegend Nebenstraßen, wenige richtige Berge, dafür aber unentwegt Hügel, so dass unterm Strich immerhin rund 10.000 Höhenmeter zu erklimmen sind.

„Man findet keinen Rhythmus, 50 Meter bergauf

, dann gleich wieder runter und wieder rauf, fast nirgendwo ein ebenes Stück, man schaltet unentwegt.“

Das legendäre Rennen hat eine große geschichtliche Tradition, gilt es doch als die „Mutter“ aller modernen Langstreckenfahrten. Erstmals ausgetragen im Jahre 1891gilt es als Vorläufer der Tour de France (Henri Desgranges organisierte das zweite PBP 1901, bevor er 1903 die TDF ins Leben rief).

Zunächst wurde PBP nur alle 10 Jahre und unter Profi-Beteiligung durchgeführt, erst seit Anfang der 50er Jahre dürfen Profis nicht mehr daran teilnehmen, dafür gibt es bei den Fahrrädern keine Einschränkungen: alles, was mit Muskelkraft und auf Rädern bewegt werden kann, ist zugelassen: Tandems, Liegeräder, Tricycles. Selbst ein rollerähnliches Kickbike wurde von einem finnischen Teilnehmer sicher ins Ziel getreten.

Seit den 70er Jahren wird PBP alle 4 Jahre ausgetragen. Die TN-Zahl stieg stetig an. In diesem Jahr waren 4187 TN gemeldet, 4069 starteten und 3465 (= 85,2 %) finishten innerhalb der vorgegebenen Zeit von 90 Stunden. Für die Elitefahrer gelten Zeitlimits von 80 und 85 Std. In diesem Jahr wurde ein neuer Rekord aufgestellt: die schnellste Gruppe brauchte gerade mal 42:40 Std. für die 1230 km.

51 % der TN waren Nicht-Franzosen aus allen fünf Kontinenten, darunter auch 202 Deutsche.

Leider nur ca. 6,5 % Frauen.

Die Teilnehmer kommen aus verschiedenen sportlichen Bezügen: RAAM (Race Across America) –Sieger und -Finisher, andere Extremsportler, Hobbyfahrer – sie alle eint der Randonneur-Gedanke:

Ziel ist es nicht der Wettbewerb gegeneinander, sondern die Erfahrung der persönlichen Grenzen bei einer festgelegten Distanz innerhalb eines bestimmten Zeitlimits, sozusagen der Kampf gegen sich selbst, den inneren Schweinehund. Man könnte sie auch Ultra-Zeitfahrer nennen.

Das PBP hat dabei bei den Randonneuren einen ähnlichen Stellenwert wie die Olympiade bei den Leichtathleten.

„Gilt bei der Olympiade das Hauptmotto „Dabei sein ist alles“ – so bei PBP der Grundsatz „Ankommen (innerhalb des Zeitlimits) ist das Wichtigste“, wobei es bei beiden Ereignissen nur wenigen vergönnt ist, Spitzenzeiten zu erreichen.

Es ist schon ein wirklich motivierendes Gefühl, mit Legenden der Ultracycle-Szene zusammen ein „Rennen“ ( was ja eigentlich keins ist) zu fahren: RAAM-Gründer und –Sieger Lon Haldeman, andere RAAM-Finisher wie z.B. Stefan Lau, Eric Ostendorff, Sieger des wegen seiner Härte berüchtigten Furnace Creek 508 (-Miles) Rennens mitten durchs Death Valley, Langstrecken-Legenden und bekannte Autoren wir John Hughes und Ed Pavelka von der UMCA (Ultra Marathon Cyclin Association aus den USA).

Als internationale Sportveranstaltungen sollen beide der Völkerverständigung dienen – und zumindest auf PBP trifft dies absolut zu. Man lernt viele neue Leute kennen aus allen möglichen Ländern, trifft exotisch anmutende Teilnehmer auf unterschiedlichsten Rädern (Liegeräder, Tandems, Tricycles, Kickbikes - so eine Art Roller – Räder mit Starrnabe, Tourenbiker mit ordentlich Gepäck, Racer, Leute auf 20 Jahren alten Rennrädern mit Stofftieren und Luftballons – sog. Airbags – bestückt uvm.). Und dann natürlich die anteilnehmenden und unterstützenden Franzosen entlang des langen Wegs mit den vielfältigen und verlockenden Angeboten... einfach unglaublich! Beides übrigens Gründe, schnell mal aus dem Zeitplan zu kommen ...“

Für PBP muss man sich in sog. Brevets qualifizieren, das sind Langstreckenfahrten, die im Kalenderhalbjahr vor dem großen Ereignis absolviert werden müssen: 200, 300, 400 und 600 km. Allein danach kann man sich schon Super-Randonneur nennen. Ich habe dies in Bern/Schweiz gemacht. Quali-Week im Mai: 200, 300 und 400 km sowie zum zweiten Mal den Radmarathon Bern-Bodensee-Bern (gleichzeitig einziges westeuropäisches Quali-Rennen für das RAAM).

„Bei den Brevets man man auch solche Erfahrungen, die einem schließlich bei PBP zugute kommen: Nachtfahrten, Kälte, Daueregen usw. Bei Bern-Bodensee-Bern hat es sowohl 2002 als auch in diesem Jahr unentwegt und nachts war es noch saukalt, man lernt, damit – auch mental – umzugehen.“

Was sind die besonderen Herausforderungen / Schwierigkeiten bei so langen Touren:

  • Natürlich die ausreichende Grundlagenausdauer
  • Ein gut trainierter Fettstoffwechsel, weil man so viele Kalorien (ca. 8000 kcal pro Tag) nicht über die normale Nahrung aufnehmen kann, ohne Verdauungsprobleme zu bekommen (viele haben solche und Magenprobleme).
  • Müdigkeit und Schlafentzug (JS hat ab der 2. Nacht jeweils an den Kontrollstellen max. 1 Std. geschlafen, viele fahren durch und schlafen 2 x 6 Stunden, viele liegen einfach am Straßenrand und pennen), manche haben Halluzinationen, Sekundenschlaf auf dem Rad usw... Spätestens ab der dritten Nacht sieht man überall Teilnehmer schlafen: in den Essräumen auf, neben und unter den Tischen, in den Fluren, draussen in Alufolie sog. Rettungsdecken gewickelt, am Straßenrand, auf Bänken...)
  • Die mentalen Aspekte (Durchhalten...) Man „lebt“ von Kontrollstation zu Kontrollstation, durch die schlaflosen Nächste lösen sich „gestern“ „heute“ und „morgen“ zu einem einzigen Zeitabschnitt auf, Einteilungen der Zeitachse ergeben sich nur durch den kurzen Aufenthalt an den Kontroll- und Verpflegungsstationen“
  • Schmerzen ertragen (JS hat sich 250 km vor dem Ende eine Sehenscheiden-Entzündung an der Schienbeinsehe zugezogen, typische Probleme sind auch: wunder Hintern, Nacken, Knie, Achillessehne usw.)
  • Das Material (Rad, Beleuchtung, Gepäck) muss wohldurchdacht ausgesucht werden, da „unsupported“ Fahrer keine Möglichkeit haben, zwischendurch etwas auszutauschen.
  • Einteilen der Kräfte: viele, die das Rennen zu scharf angehen, mussten aufgeben. Für einen Randonneur (der „Ehrenkodex“) ist das Ankommen im Zeitlimit aber viel wichtiger als das Herausfahren einer schnellen Zeit.Das schlimmste, was einem Randonneur passieren kann, ist die die Aufgabe (einzige Ausnahme: Verletzungen, die zu Dauerschäden führen können oder Materialverlust).

Fazit:

Alles in allem ein wirkliches „Event“ – welches man sicherlich nie vergessen wird. Irgendjemand im Web hatte mal geschrieben, wer ankommt, ist nicht mehr derselbe wie vorher –da ist vielleicht was dran.

Und die Zukunft:

Vielleicht nächstes Jahr Rocky Mountain 1200 km, eine ähnliche Veranstaltung von den kanadischen Randonneuren in British Columbia. Eine faszinierende Landschaft, 4 große Bergetappen mit bis zu 2000 m Höhe im Bärengebiet. Und auf jeden Fall PBP 2007.